indigene Konzepte

Der Kalender der Tukano – indigenes Wissen konkret

Die Tukano-Völker leben in Brasilien am Rio Tiquié und anderen Nebenflüssen des Rio Negro – an dessen Unterlauf Manaus liegt. Über Jahrhunderte hinweg haben sie angepasste Technologien und nachhaltige Nutzungsweisen der knappen Ressourcen entwickelt. Der Kalender der Tukano-Völker ist eine Abbildung des traditionellen astronomischen, ökologischen und sozio-ökonomischen Wissens über die kosmischen Zusammenhänge. Dieses Wissen wurde über Generationen mündlich vermittelt, geriet aber immer mehr in Vergessenheit.


Die Einführung des indigenen Bildungssystems in Brasilien seit den 1990er Jahren sah u. a. die Integration der Vermittlung indigenen Wissens an Schulen vor, das dafür gesammelt und aufgezeichnet wurde. Schüler*innen und Lehrer*innen der indigenen Tukano-Schule Yupuri beobachteten und dokumentierten in Zusammenarbeit mit erfahrenen Frauen und Männern in einem Zeitraum von zwei Jahren Umweltphänomene und alltägliche Aktivitäten in ihren Dörfern und verglichen sie mit langjährigen Erfahrungswerten. Dabei wurde deutlich, dass sich aufgrund klimatischer Veränderungen auch die Zusammenhänge unterschiedlicher Naturphänomene zwischen den Jahreszyklen ändern. Von diesen beobachteten Entwicklungen sind u. a. Lebensweise, religiös-spirituelle und landwirtschaftliche Praktiken sowie die Ernährungsversorgung der Tukano-Völker betroffen.


Auf Basis des traditionellen Wissens und der Beobachtungen wurde ein dynamischer Kalender erarbeitet. Die Kreise sind beweglich und können unabhängig voneinander gedreht werden. Damit sind Anpassungen an Veränderungen möglich. Auf einer Scheibe im Zentrum des Kalenders sind die wichtigsten Sternbilder eingetragen. In sechs folgenden Kreisen sind von innen nach außen die Jahreszyklen der Regen- und Trockenzeiten, der Tiere, der Wild- und Kulturpflanzen, der religiös-spirituellen Aktivitäten und des Mondes eingetragen. Diese stehen im Zusammenhang mit dem jeweilig bei Dämmerung zu sehenden Sternbild.


Der Kalender hat unterschiedliche Funktionen: Einerseits wird mit dessen Hilfe Jugendlichen in der Region traditionelles Wissen vermittelt und gleichzeitig dient er auch als Instrument bei der Umsetzung und Überwachung der von den indigenen Gemeinschaften entwickelten Umweltnutzungskonzepten. Durch die Anpassung von landwirtschaftlichen Praktiken werden die Ernährungsversorgung und die davon abhängige Subsistenz der Tukano-Völker gesichert.
Ein weiterer Weg, um wirtschaftliche Alternativen zu schaffen, ist die Entwicklung von Strategien, um lokale Produkte mit Gütesiegeln zu versehen und diese zu vermarkten.

  • @ Klimabündnis Österreich

    @ Klimabündnis Österreich

„Der Kalender sieht die Vorbereitung der Felder in den trockenen Sommermonaten vor: Jede Familie schafft dann neuen Raum im Wald für Felder. Die Männer fällen die Bäume und verbrennen sie. Die Asche dient als Dünger für die neuen Pflanzungen. Doch die Regenfälle im Februar 2012 machten das Verbrennen der gefällten Bäume unmöglich, es konnten keine neuen Felder vorbereitet werden.“

So beschreibt Almerinda Ramos de Lima vom indigenen Volk der Tariano und erste Frau an der Spitze der FOIRN, die schwerwiegenden Folgen der klimatischen Veränderungen.

 

 

 

  • @ Associação da Escola Tukano Yupuri (AETY)

    @ Associação da Escola Tukano Yupuri (AETY)

Verwandte Artikel